Vielen Dank, liebe Julia Anderton, für diesen schönen Artikel in der heutigen Ausgabe des Wiesbadener Kurier!
Tagsüber Sekretärin, abends auf der Bühne: Felicitas Geipel
WIESBADEN – In Filmen ist es ja immer hochinteressant, führt der Protagonist ein geheimes Doppelleben. Bei Felicitas Geipel geht es zwar nicht mysteriös, doch nicht minder aufregend zu – insbesondere, was das fragile Zeitmanagement betrifft: Tagsüber ist die 34-Jährige mit einem mobilen Sekretärinnenservice in Wiesbaden und Mainz selbstständig unterwegs. Abends steht sie im Hessischen Staatstheater auf der Bühne. Seit elf Jahren ist Felicitas Geipel Mitglied im Jugendclub-theater (jetzt Junges Staatsmusical) und feierte vergangene Woche mit dem Musical „Superhero“ Premiere in ihrer 21. Produktion.
Mit Puppen Theater gespielt
„Schon als kleines Kind habe ich für meine Eltern Puppentheatervorführungen gehalten. Papa musste mich filmen und mein Bruder musste assistieren. Ich habe es schon immer geliebt, mir Geschichten auszudenken und diese vorzuführen“, erinnert sie sich. Während ihrer Schulzeit auf der Helene-Lange-Schule war sie in der Theater-AG aktiv. Die Ausbildung zur Kauffrau in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft und das Nachholen des Fachabiturs sorgten für eine längere Durststrecke, bis das Igstadter Scheunentheater die alte Leidenschaft wieder aufflammen ließ. Kurz darauf wurde sie Mitglied im Jugendclubtheater.
Warum hat sie nie versucht, mehr aus dem Hobby zu machen? „Ich unterscheide zwischen Beruf und Berufung. Es ist wunderbar, wenn man beides vereinen kann. Aber das ist leider sehr selten von Erfolg gekrönt“, erklärt Felicitas Geipel. „Ich habe irgendwann entschieden, dass ich es nicht verkraften könnte, an dem Versuch zu scheitern, diese Liebe zum Beruf zu machen. Deshalb habe ich mit meinem bürgerlichen Beruf ein festes Standbein, das mir Sicherheit gibt, ohne jedoch auf meine Berufung, das Bühnendasein, verzichten zu müssen.“ „Ich wäre auch nicht der Typ für lebenslange Vorsprechmarathons. Das würde ich nervlich gar nicht aushalten.“ Zumal sie die Unterschiede als gar nicht so frappant empfindet. „Büro und Bühne sind nur vermeintlich verschiedene Welten. Ich kann von jeder Welt etwas Nützliches in die jeweils andere mitnehmen. Was ist denn eine Sekretärin an vorderster Front? Eine Schauspielerin. Und wenn es nur darum geht, jemandem glaubhaft und freundlich zu vermitteln, warum der Chef gerade nicht zu sprechen ist. Sich auf die jeweiligen Gesprächspartner im Büroalltag empathisch einzulassen, jemandem den Tag mit einem netten Gespräch zu versüßen oder einen Kollegen mit einem dummen Spruch zum Lachen zu bringen. Das sind alles Fähigkeiten, die ich hauptsächlich durch die Schauspielerei erworben habe und die mir im Büro äußerst hilfreich sind.“
Synchronsprechen attraktiv
Andersherum lässt sie auch Begegnungen aus dem Büroalltag in die Schauspielerei einfließen. Weil altersmäßig irgendwann Schluss im Jugendclub ist, bei dem übrigens auch ihr Bruder mitwirkt, sieht sich Felicitas Geipel derzeit nach Alternativen um. „Ein ‚normales‘ Leben kann ich mir nicht vorstellen, ich würde eingehen wie eine Primel in einer Salzwüste. Im Augenblick versuche ich, ins Synchronsprecherbusiness reinzuschnuppern. Im November werde ich einen Workshop besuchen, der speziell auf Trick- und Animationsfilm ausgelegt ist. Und wer weiß, vielleicht öffnet sich irgendwo eine kleine Tür.“